6.1 Wildfänge

Die artgerechte Haltung von Wildtieren ist anspruchsvoll und erfordert vom Tierhalter viel Fachwissen und Einsatz. Bei Tieren aus Wildfang sind zahlreiche zusätzliche Faktoren zu beachten.

So sind Wildfänge erheblichen Stresssituationen durch lange Transporte und durch die Anpassung an die Haltung in Gefangenschaft ausgesetzt. Während des Transports ist es kaum möglich, den Tieren eine artgerechte Unterbringung zu ermöglichen. Erschütterungen, starke Temperaturschwankungen, schnelle Umgebungswechsel und weitere durch den langen Transport bedingte Faktoren führen oft zur Verweigerung der Futteraufnahme - auch noch während der Akklimatisierungsphase am neuen Ort. Zudem sind wildlebende Tiere in der Regel von Parasiten befallen, die sich aufgrund der Stresssituation übermässig vermehren können. Nicht selten verenden Tiere daher unterwegs oder kurz nach der Ankunft aufgrund ihres schlechten Zustands. Prekär sind die Zustände vorwiegend beim illegalen Tierschmuggel, in geringerem Masse können stressbedingte Todesfälle aber auch bei legalen Transporten nicht ausgeschlossen werden.

Diese Beispiele unterstreichen die Wichtigkeit, Tiere direkt bei einem Züchter oder im kontrollierten Zoofachhandel zu kaufen, bei dem auch die Elterntiere und deren artgerechte Haltung begutachtet werden können.

Auf Wildfänge und Farmzuchten (Jungtiere von wild gefangenen trächtigen Weibchen) ist generell zu verzichten. Mitunter wird eine nachhaltige Nutzung von Wildbeständen zwar als Beitrag zur Erhaltung natürlicher Biotope gesehen, wenn die Landschaft durch den Verkauf von Reptilien und Amphibien für die lokale Bevölkerung an Wert gewinnt, sie deshalb nicht in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt wird und ihre Wildfauna und -flora auf diese Weise erhalten bleibt. Voraussetzung hierfür ist eine gute Schulung von Fängern und Händlern über Tier- und Artenschutzaspekte, eine strenge mengenmässige Limitierung der Entnahme von Tieren und Eiern und entsprechende Kontrollen bzw. eine glaubwürdige Zertifizierung. Da die erhebliche Belastung für die entnommenen Tiere nicht verhindert werden kann, ist aber auch eine zertifizierte, nachhaltige Nutzung von Wildbeständen aus Sicht des Tierschutzes abzulehnen.


Achtung "chemische Morphen"

Nicht jede Farbmorphe ist eine Nachzucht. In seinem Buch "Python regius Das Kompendium" (Edition Chimaira, 2007) beschreibt Kevin McCurley, dass bei gewissen Schlangenarten Wildfänge gezielt genutzt werden, um Käufer zu täuschen. So werden beispielsweise noch immer zahlreiche Königspythons wild gefangen und bei Händlern unter erbärmlichen Bedingungen gehalten, wodurch die Tiere teilweise eine veränderte Färbung entwickeln. Als angeblich besondere Mutationen werden sie zu überhöhten Preisen nach Amerika und Europa verkauft. Gelingt es, die unter erheblichem Stress stehenden Tiere zur Futteraufnahme zu bewegen, kehrt mit dem Gewicht auch ihre ursprüngliche Farbe zurück. Oft tragen sie schwere Leber- und Nierenschäden davon, was ihre Lebenserwartung erheblich verkürzt und die Lebensqualität einschränkt. Es ist nicht auszuschliessen, dass skrupellose Exporteure Schlangen gar mit Chemikalien behandeln, um die gewünschte Farbänderung zu erzielen.

Published on 07.08.2014, 7:25:36.
Last updated on 10.08.2014, 7:41:58.
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