10.1 Fehlendes Importverbot

Die Zahlen des Bundesamts für Statistik sind alarmierend: 2012 wurden insgesamt über 7,6 Tonnen Reptilien-Häute und verarbeitete Produkte aus Reptilienleder in die Schweiz eingeführt und über 10,2 Tonnen exportiert, somit ist anzunehmen, dass unverarbeitetes Reptilienleder importiert wird und fertige Produkte wie z.B. Uhrenarmbänder exportiert werden. Um dies zu verdeutlichen, haben wir eine detaillierte Auflistung nach Produktegruppen und Jahren zusammengestellt (PDF). Die Schweiz fungiert als international bedeutender Umschlagplatz für entsprechende Produkte; nur ein geringer Anteil verbleibt dabei im Inland. Insbesondere die Uhrenindustrie beharrt nach wie vor überwiegend auf Krokodil- und Echsenleder für Armbänder. Dass dabei ein auf tierquälerische Weise gewonnenes Material einen wesentlichen Bestandteil eines Produkts darstellt, das für Schweizer Qualität stehen soll, stimmt nachdenklich.

Am 6. Oktober 2010 berichtete die Sendung Rundschau im Schweizer Fernsehen mit erschütternden Bildern über die Zustände bei der Produktion von Reptilienleder in Indonesien (Videobeitrag). In der Folge verlangte Nationalrätin Franziska Teuscher in ihrer Motion "Keine Reptilienhäute aus tierquälerischer Produktion in der Schweiz" vom 17. Dezember 2010, umgehend auf sämtliche Importe von Reptilienhäuten aus Indonesien zu verzichten. Am 3. Mai 2012 stimmte der Nationalrat mit 91 zu 73 Stimmen dem Vorstoss zu (Abstimmungsprotokoll (PDF)). Die dramatische Abstimmung im Ständerat erfolgte am 4. Dezember 2012 mit 18 zu 18 Stimmen, wobei der Stichentscheid des Präsidenten den Ausschlag gab: die Motion wurde abgelehnt.

10.1.2 Stellungnahme BLV

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) nahm am 7. Oktober 2010 im BLV-Blog Stellung zum Bericht der Rundschau. Mathias Lörtscher, Leiter CITES beim BLV kündigte darin an, welche Schritte die Schweiz unternehmen würde: 

„Ich möchte deshalb hier kurz ausführen, welche Schritte wir nun konkret unternehmen werden.

  1. Wir werden das CITES Sekretariat per Brief auf die Zustände aufmerksam machen und verlangen, dass Indonesien sich erklären muss.
  2. Wir werden auch von der Uhrenindustrie eine Antwort verlangen, wie sie sicherstellen wird, dass sie nicht weiter so hergestelltes Leder verwendet.
  3. Die Schweiz wird sich bei CITES dafür einsetzen, dass bei der Schlachtung von Reptilien für den internationalen Handel spezifische Anforderungen an die Tötung der Tiere gestellt werden. Als ersten Schritt nimmt die Schweiz an einem internationalen Workshop über den Handel mit Schlangen in Asien teil. Die Schweiz wird dort beantragen, dass der Workshop eine entsprechende Empfehlung an CITES (Animals bzw. Standing Committee) erstellen wird.
  4. Langfristig braucht es jedoch einen grundsätzlicheren Wandel. Das internationale Regelwerk für den Handel mit tierischen Produkten muss sich ändern. Heute kann der Handel nur eingeschränkt werden, wenn eine Tierseuchengefahr besteht oder der Bestand einer Art bedroht ist. Aus Tierschutzgründen sind Handelseinschränkungen aber kaum möglich. Das BVET setzt sich deshalb bei der Welt-Tiergesundheitsbehörde OIE dafür ein, dass weltweite Mindeststandards im Tierschutz festgelegt werden. Erfüllen Länder diese Mindeststandards nicht, könnte die Schweiz den Handel einschränken.“

Unter der Führung des BLV hat eine internationale Expertengruppe Empfehlungen für eine internationale Regelung der Tötungsmethoden von Schlangen, Krokodilen und Waranen ausgearbeitet, diese wurde im Februar 2013 veröffentlicht (original Text (PDF) und freie Übersetzung (PDF)). Diese Empfehlungen sind nicht verbindlich und es existieren keine Erhebungen darüber, inwieweit sich die Herkunftsländer von Reptilienhäuten daran halten. Es ist daher höchst fraglich, ob sich die Zustände seit 2010 verändert haben.

Schonende Tötungsmethoden
Tiergerechte und schonende Methoden dürfen bei den betroffenen Tieren keinen vermeidbaren Stress auslösen und müssen zu einer sofortigen Bewusstlosigkeit oder zum unmittelbaren Tod der Tiere führen. Sie müssen zudem einfach anzuwenden und der jeweiligen Tierart und -grösse angepasst sein. Der Expertenbericht des BLV (siehe oben) empfiehlt in erster Linie Methoden, die zu einer mechanischen oder chemischen Zerstörung des Gehirns oder zu tiefer Bewusstlosigkeit führen (siehe auch Medienmitteilung vom 25.04.2013 (PDF). Bei den meisten Methoden empfiehlt er, anschliessend den Tod durch die Zerstörung des Rückenmarks sicher zu stellen. Empfohlen werden je nach Grösse, Tierart und Ausbildung der Ausführenden etwa der Bolzenschuss, der Schlag auf den Kopf mit einem harten Gegenstand, das Enthaupten, Erschiessen oder Einschläfern. Abzulehnende Tötungsmethoden sind beispielsweise das Entbluten, Einfrieren, Überhitzen, Ersticken, Ertränken sowie die Inhalation von Anästhetika. Im Bericht wird betont, dass damit der aktuelle Wissensstand wiedergegeben wird, der im Falle neuer Erkenntnisse zum Wohle der Tiere angepasst werden muss.

10.1.3 Erleichterter Import entsprechender Produkte

Der Trend zeigt sich besorgniserregend: Für den Import eines in höchstem Masse tierquälerisch erzeugten Produkts ist trotz klarer Fakten kein Verbot zustande gekommen, lediglich Empfehlungen für humanere Tötungsmethoden wurden erarbeitet, die weder verbindlich noch kontrollierbar sind. Inzwischen zeigt sich, dass die jüngsten politischen und rechtlichen Entwicklungen die Einfuhr entsprechender Produkte gar erleichtern.

Während für die Einfuhr von Teilen und Erzeugnissen geschützter Tierarten ausnahmslos eine Einfuhrbewilligung oder eine Anerkennung als gewerbsmässiger Importeur durch das BLV sowie eine Ausfuhrbewilligung des Herkunfts- oder Ursprungslandes verlangt wurde, ist seit dem 1. Oktober 2013 für die Einfuhr von Reptilienhäuten der im Anhang II und III CITES aufgeführten Arten keine Bewilligung mehr erforderlich (Art.10. lit. a CITES-Kontrollverordnung). Lediglich die Dokumentenkontrolle der beim Herkunftsland zu beantragenden CITES-Papiere besteht weiterhin (Art. 7 Abs. 1 CITES-Kontrollverordnung).  

Zusätzliche Importerleichterungen sind durch das im März 2014 parlamentarisch beschlossene Freihandelsabkommen mit China vorgesehen. Zahlreiche tierische Produkte,  darunter frisches, getrocknetes und verarbeitetes Reptilienfleisch und frische, getrocknete und verarbeitete Reptilienhäute aus China erfahren dabei einen erheblich erleichterten Zugang zum Schweizer Markt, indem Einfuhrzölle und Handelshemmnisse bedeutend gesenkt werden. Mindeststandards für den Umgang mit den betroffenen Tieren, insbesondere hinsichtlich der Haltungs- und Tötungsmethoden, verlangt das Abkommen nicht. 

Kommentar zu den Gesetzen

Die Aufhebung der Bewilligungspflicht für den Import von Reptilienleder geht angesichts der dokumentierten gravierenden Tierschutzmissstände in die falsche Richtung. Die Zollerleichterungen für Reptilienfleisch und -leder aus China, die ohne jegliche Mindestanforderungen hinsichtlich des Tierschutzes gelten, setzen einen zusätzlichen Anreiz für den Import entsprechender Ware und verdeutlichen, dass der Schutz von Tieren wirtschaftlichen Interessen auch in der Schweiz faktisch untergeordnet wird. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zur schweizerischen Bundesverfassung, die die Würde der Kreatur ausdrücklich unter Schutz stellt. Die Grundsätze der Tierschutzgesetzgebung werden mit den genannten Regelungen weitestgehend missachtet. Sowohl das zuständige Bundesamt als auch der Bundesrat und das Parlament haben es versäumt, dem Schweizer Verfassungsprinzip der Tierwürde in der Reptilienlederproduktion Nachachtung zu verschaffen. Der mangelhafte Tierschutzvollzug in diesem Bereich wird von Tierschutzorganisationen seit Jahren scharf kritisiert. 

Die Empfehlungen für schonende Tötungsmethoden sind zwar umfassend ausgearbeitet, zeitigen aber keinerlei Rechtsverbindlichkeit. Überdies stellt die Tötung der Tiere lediglich den letzten Punkt einer ganzen Reihe tierschutzrelevanter Handlungen dar. Die Fang- und Haltungsmethoden, das Handling und die Transportbedingungen sind im Umgang mit diesen Tieren nicht weniger problematisch, hierzu nimmt das BLV aber keine Stellung.

Published on 08.08.2014, 12:55:46.
Last updated on 24.08.2014, 15:53:46.
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